Sichere Gemeinde

Auf dem Weg zur Sicheren Gemeinde

Die Einladung Jesu, die Kinder zu ihm kommen zu lassen (Mk, 10.13ff), ist vor allem ein Aufruf, innerhalb kirchlicher Räume phantasievolle und kreative Angebote für Kinder und Jugendliche zu gestalten. Die christliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen hat aber nicht nur phantasievoll, sondern auch frei und sicher zu sein!

Sichere Gemeinden können von sich sagen:

• Wir haben starke Kinder!
• Wir haben wache Mitarbeitende!
• Kindeswohlgefährdung, Gewalt und Missbrauch sind keine Tabuthemen!
• Wir haben Berater und Anlaufstellen!
• Wir achten auf Sicherheit!

Kinder- und Jugendschutz genießt in unserer Gemeinde höchste Priorität. Deshalb tun wir alles dafür, damit unsere Gemeinde ein sicherer Ort für Kinder und Jugendliche ist und bleibt. Unsere Standards überprüfen wir regelmäßig mit einem externen Berater (z.Z. Christian Rommert / www.leitungskunst.de).

Verhaltenskodex
Verhaltenskodex für haupt- und ehrenamtlich Mitarbeitende im Bund freier evangelischer Gemeinden

Unsere Gemeinde stellt sich dem Thema „Kindesschutz“

Schon seit längerem beschäftigt sich die FeG Ronsdorf mit Fragen des Kindesschutzes. Durch die Veröffentlichung der Autobiographie Peter Strauchs, des ehemaligen Präses unserer Freikirche, ist die Thematik für uns noch einmal auf eine andere Art und Weise aktuell geworden. In einem Kapitel schreibt er von sexuellen Übergriffen, die von seinen verstorbenen Vater Karl Strauch ausgegangen sind und vor ca. vierzig Jahren stattgefunden haben.  Karl Strauch war ein langjähriges, weit über die Gemeinde hinaus geschätztes Mitglied unserer Gemeinde. Ich sprach mit unserem Pastor Gert Markert über Enttäuschungen, Angebote für Betroffene und Konsequenzen aus den Geschehnissen für unsere Gemeindearbeit.

Rebekka Hottenbacher (Verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit):

Am 19. März 2015 veröffentlichte Peter Strauch seine Autobiographie. In einem Kapitel schreibt er, dass sein Vater in den siebziger Jahren Kinder auf Hollandfreizeiten sexuell missbraucht und sich auch an der eigenen Familie vergangen hat. Karl Strauch prägte viele Jahre die Arbeit unserer Gemeinde. Wie reagierte die Gemeinde auf diese Nachricht?

Pastor Gert Markert:

Peter Strauch hatte uns kurz vor Veröffentlichung des Buches informiert, dass diese Autobiographie und die erwähnten Informationen erscheinen würden. Karl Strauch, der Vater von Peter Strauch, war bis 1993 Mitglied unserer Gemeinde. Es leben keine Angehörigen von Karl Strauch mehr in unserer Gemeinde; er ist aber noch immer Mitgliedern in unserer Gemeinde und Menschen in unserem Ort bekannt. Auch wenn der Vorwurf, Karl Strauch habe Kinder sexuell missbraucht, nicht ganz neu war, ist das Ausmaß der nun deutlich gewordenen Vorfälle für alle ein großer Schock.

Rebekka Hottenbacher:

Gab es denn in der Vergangenheit bereits Hinweise darauf, dass Karl Strauch Kinder missbrauchte?

Gert Markert:

Ja. Karl Strauch hatte seit den fünfziger Jahren bis in die siebziger Jahre Kinderfreizeiten im Rahmen unserer Gemeindearbeit durchgeführt. Damals war er an vielen Stellen unserer Gemeinde engagiert. Nach einer Kinderfreizeit im Jahr 1974 beschuldigten die Eltern eines Kindes Karl Strauch und berichteten, er wäre sexuell übergriffig geworden. Die damalige Gemeindeleitung konfrontierte Karl Strauch mit diesem Vorwurf. Er gestand die Tat und wurde jeglicher Verantwortung in der ehrenamtlichen Mitarbeit enthoben. Danach fuhr er nie wieder im Auftrag der Gemeinde und als Mitarbeiter zu einer unserer Freizeiten. Da nach diesem Vorfall keine weiteren Vorwürfe laut wurden, waren sich alle sicher, dass es sich um ein einmaliges Vergehen gehandelt habe. In diesem Bewusstsein lebten wir bis zur Veröffentlichung des Buches.

Rebekka Hottenbacher:

Dies erwies sich nun als ein Trugschluss…

Gert Markert:

Schockierenderweise ja! Denn nach der Veröffentlichung und der Information an die Gemeinde wurde klar, dass neben der Tat, die 1974 ans Licht gekommen war, weitere Personen Opfer sexueller Gewalt wurden. Wir haben es also nicht mit einer einzelnen Tat, sondern mit einer größeren Anzahl von Übergriffen zu tun. Wir müssen feststellen, dass Karl Strauch die Freizeiten in Holland benutzte, um Kinder sexuell zu missbrauchen.

Rebekka Hottenbacher:

Was heißt das konkret? Wie groß ist der Kreis betroffener Personen?

Gert Markert:

Noch sind die Informationen sehr frisch. Die Gemeinde hat einen Tag vor der Veröffentlichung des Buches von diesen Vorwürfen erfahren. Das war im März. Inzwischen wurde uns von mindestens acht weiteren betroffenen Personen berichtet. Wir wurden zum Teil durch sie selber angesprochen oder durch Familienangehörige bzw. durch Freunde der Betroffenen. Wir rechnen damit, dass sich weitere Personen melden werden.

Rebekka Hottenbacher:

Was können wir als Gemeinde für diese Menschen tun? Wie werden wir auf diese neuen Informationen reagieren?

Gert Markert:

Zunächst einmal möchte ich mein Bedauern und meine Betroffenheit darüber ausdrücken, dass Teilnehmenden unserer Freizeiten solch ein Leid zugefügt wurde. Auch wenn die Taten lange zurückliegen, für die Betroffenen sind sie aktuell und schmerzhaft. Darum kann ich mich im Namen unserer Gemeinde nur entschuldigen. Wir bedauern, zugelassen zu haben, dass Karl Strauch das Vertrauen der Gemeinde so ausnutzen und missbrauchen konnte. Wir müssen erkennen: Die Gemeinde war Teil eines Systems, durch das Kinder sexuelle Gewalt erfahren haben. Das macht uns sehr betroffen. Unsere Aufgabe ist nun, ehrlich hinzuschauen, Transparenz zu schaffen und uns unserer Verantwortung zu stellen.

Rebekka Hottenbacher:

Wie können wir denn Verantwortung übernehmen? Wird es z.B. strafrechtliche Konsequenzen geben?

Gert Markert:

Da der Täter verstorben ist, kann die Aufarbeitung im Hinblick auf Karl Strauch nicht mehr auf strafrechtlicher Ebene erfolgen. Sie muss auf anderer Ebene geschehen. Dabei denke ich an Hilfsangebote für Betroffene. Als einen ersten Schritt haben wir für Menschen, die den Eindruck haben, dass es nun Zeit ist, das Schweigen zu brechen, zwei Telefonnummern eingerichtet. Für Menschen, die mich als Pastor zu diesen Fragen erreichen wollen, lautet die Nummer 0202 / 519 95 88. Wer lieber eine Frau als Ansprechpartnerin sucht, kann Manuela von Germeten unter 0202 / 75 95 51 03 erreichen. Sie ist psychiatrische Fachkrankenschwester. Wir beide stehen für einen Erstkontakt zur Verfügung und können dann weitere Hilfsangebote vermitteln. Außerdem verweisen wir auf unabhängige Beratungsangebote. Das ist im Bereich der Freien evangelischen Gemeinden das Beratungsangebot des „Schutzraumes“. Natürlich kann man sich auch an bekannte Einrichtungen wie den Kinderschutzbund oder Zartbitter Köln e.V. wenden (Kontaktdaten am Ende dieses Interviews).

Rebekka Hottenbacher:

Welche Schritte sind außerdem geplant?

Gert Markert:

Wir nehmen das gesamte Thema sehr ernst. Auch wenn die uns bekannten Taten vier Jahrzehnte zurückliegen, nehmen wir die Situation zum Anlass, selbstkritisch zu überprüfen, ob die fachlichen Standards, nach denen wir schon heute arbeiten, ausreichen. Schon seit längerem thematisieren wir Fragen des Kindesschutzes standardmäßig vor all unseren Freizeiten. Wir sensibilisieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und lassen jeden Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin einen Verhaltenskodex unterschreiben. Sie müssen auch ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Wir führen regelmäßig Schulungen für die Mitarbeitenden in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen zum Thema durch. Aber wir wissen auch, dass Sicherheit immer wieder neu erarbeitet werden muss, also werden wir uns fragen, ob unsere Maßnahmen und Standards ausreichen.

Rebekka Hottenbacher:

Wie soll das geschehen? Wie werden die nächsten konkreten Schritte aussehen?

Gert Markert:

Wir haben uns dazu externe Hilfe gesucht und in Christian Rommert einen kompetenten Ansprechpartner gefunden. Christian Rommert war maßgeblich an der Einführung des Kindesschutzkonzeptes „Auf dem Weg zur Sicheren Gemeinde“ im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden beteiligt. Er hat eine Vielzahl von Schulungen zu dem Thema durchgeführt und berät seit längerem Institutionen, die mit Kindern arbeiten. Wir klären gerade, wie die Zusammenarbeit konkret werden kann. Wir hoffen, aus der Situation zu lernen und so die Gefahr sexueller Gewalt möglichst vermeiden zu können. Wir wollen, dass die FeG Ronsdorf ein guter, inspirierender, kreativer, vor allem aber auch ein sicherer Platz für Kinder ist. Kinder sollen bei uns Freiheit und Sicherheit erleben und ohne Angst aufwachsen. Jesus ist parteiisch und steht auf der Seite der Kinder. Er steht auch auf der Seite der Betroffenen. Wir wollen in seinem Geist unsere Arbeit mit Kindern und die Arbeit in unserer Gemeinde gestalten.

Rebekka Hottenbacher:

Vielen Dank für dieses Gespräch.

Kontaktadressen

Ansprechpartner in der FeG Ronsdorf:
Pastor Gert Markert
Telefon: 0202 / 519 95 88
Manuela von Germeten
Telefon: 0202 / 75 95 51 03

Zartbitter Köln e.V.:
Telefon: 0221 / 31 20 55
E-Mail: info(at)zartbitter.de
Internet: www.zartbitter.de

Schutzraum des Bundes Feier evangelischer Gemeinden:
Telefon: 0157 / 78 99 47 18
Email: schutzraum(at)feg.de

Kinderschutzbund Wuppertal e.V.:
Telefon: 0202 / 75 53 64
E-Mail: kinderschutzbund(at)wtal.de
Internet: www.kinderschutzbund.wtal.de/